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peergynt

frei nach Ibsen
Jugendhilfeeinrichtung Solveigs Hof
Osnabrück
2003


Bis an die Grenzen – und darüber hinaus. Mit »peergynt« beginnt eine langjährige Zusammenarbeit mit der Jugendhilfeeinrichtung Solveigs Hof bei Osnabrück. Die Proben sind bewusst als spielerische Biographie-Arbeit angelegt, die Aufführung als Fest des Erreichten.



Peer Gynt ist ein wilder, ungestümer Naturbursche, ein Aufschneider und Prahlhans. Er entführt aus Jux und Tollerei die Braut eines anderen, aber heiraten will er die nur allzu bereitwillig Entehrte nicht. Von nun an gilt er in seiner Heimat als geächtet. Allein Solveig, eine reine, unverdorbene Seele, ist ihm noch in aufrichtiger Hingabe zugetan und sogar bereit, ihr Leben mit ihm zu teilen. 
Doch Peer Gynt hat einst mit der Prinzessin des Trolls einen Sohn gezeugt, eine Schuld, die ihn jetzt in jedem Augenblick verfolgt. So zieht er hinaus in die Welt, über die Meere, entlang an den Küsten Marokkos und durch die Wüsten Ägyptens, auf der Flucht vor dem eigenen Ich und auf der Suche nach sich selbst.



Hintergründe unserer Arbeit an »peergynt«
(Der Text ist ein Auszug aus »Bolzen mit der Seele« – siehe Werkstattgespräche)

Ich hatte nun gleich zwei Jahre hintereinander das Glück, an der gleichen Einrichtung – dem Solveigs Hof, Rulle – meine Arbeit aufzunehmen und aufeinander aufbauend fortzuführen. Ich wollte schon immer mit Ibsens Peer-Gynt-Stoff arbeiten, was dem Solveigs Hof auch entgegenkam.

Es ging mir nicht darum, Ibsens »Peer Gynt« auf die Bühne zu bringen, sondern unseren. Ich hatte den Stoff gewählt, weil er vom Wiedererkennungswert im Blick auf unser eigenes Leben her noch mehr anbietet als beispielsweise Goethes »Faust«. Ibsens »Peer Gynt« ist uns in seiner biographischen und dramaturgisch feingegliederten Gesetzmäßigkeit näher als kaum ein anderer Stoff. Ibsen ist es auf ungewöhnlich meisterhafte Weise gelungen, fast alle menschlichen Urwünsche in einer Figur zu spiegeln, ohne uns damit zu überfordern. Zugleich behalten sie in seiner Umsetzung etwas wie eine ewige Aktualität. Peers Umgang mit seinen Wünschen, Hindernissen, Erfolgen und Problemen entspricht auf verblüffende Weise den Entwicklunsphasen, die wir in anderer Weise selbst durchlebt haben; ist nicht überzogen, sondern zutiefst menschlich und nachvollziehbar.
Und doch ist Ibsens Werk unweigerlich durch die Zeit der Entstehung, wie aber auch durch seine eigene Biographie geprägt. Nichtzuletzt diese Tatsache macht »Peer Gynt« so reizvoll. In der Auseinandersetzung mit Ibsens Leben wird man fast zwangsläufig auf die Frage gestoßen, ob nicht er selbst, Ibsen, sich als Peer sah.
Nachdem wir an den gesamten Stoff zunächst improvisatorisch heran gingen, entschieden wir uns zu einem späteren Zeitpunkt Rollen und Texte festzulegen.



Ibsens Beginn mit der Mutter erinnerte mich an eine erlebte Situation, in der ein Jugendlicher seiner Mutter wochenlang weismachte, er sei auf Job-Suche und mache jetzt bald „das ganz große Ding“. Situationen, die wir kennen.
Oder Peers Begegnung mit der „Halb-und Halb-Welt“ der Trolle, in der er erst Anerkennung finden kann, wenn er sich für die Halb-/Mittelmäßigkeit entscheidet.
Ein unglaublich starkes Bild, das wie kaum ein anderes unseren täglichen Konfrontationen entspricht, gerade auch denen der Jugendlichen.
Ich suchte fieberhaft nach dem heutigen Peer Gynt, machte Situations- und Raumvorschläge, die wir dann gemeinsam ausprobierten.

Die Situationen in Ibsens »Peer Gynt« dienten lediglich als Orientierungen in einer guten arrangierten Aneinanderreihung biographischer Situationen, die den Jugendlichen vom Kern her bekannt sind, und an denen sich eine innerliche Auseinandersetzung anbietet, die unmittelbar mit ihrer eigenen Situation und ihrem Leben zu tun hat. Peer Gynt wurde gewissermaßen transponiert auf das Leben der Jugendlichen; dort, wo es möglich war und weitgehend mit ihnen zusammen.
Peer Gynt ist Außenseiter. Er versucht, Freiheit zu leben, erlebt darin sein persönliches Scheitern, bringt es durch Ausbeutung anderer Menschen zu Reichtum, genießt oberflächlichen Erfolg, scheitert menschlich, sucht bis zum Ende nach dem Kern, dem Sinn seines Lebens und stirbt in den Armen einer Frau, die trotz alldem vierzig Jahre auf seine Rückkehr gewartet hat, weil sie sich einst das Wort gegeben hatten. Eine recht düstere Lebenslaufbeschreibung zunächst.
Im Prozess der theaterpädagogischen Arbeit aber ergibt sich hier ein Angebot, nach Wegen zu suchen, auf denen man sich in der Auseinandersetzung gegen die Ausgangspunkte, die Voraussetzungen im Handeln, die schließlich zu Scheitern führen müssen, von vorne herein in spielerischer Erprobung abgrenzen kann. „Ich würde das nie so machen, wie der …“ – und die Frage resultiert dann natürlich sofort daraus: „Ja, wie würdest du es denn sonst machen?“
Und das, was dabei erkannt wird, ist der eigentliche Sinn und Zweck, mit diesem Stück zu arbeiten.
So entsteht in einem Jahr unser »peergynt«, der von der Umgangs-Jugendsprache noch in den klassischen Text führt. Im zweiten Stück »solveig, ein jahr«, bleibt von Ibsen nur noch der »Zwiebelmonolog« als Zitat übrig.


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