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Ich, Feuerbach
Tankred Dorst

Regie: Torsten Brandes
Bremen
1991


Alles in allem gehörte Tankred Dorsts Abrechnung mit dem Theater in »Ich, Feuerbach« zweifellos an dieser Stelle meiner Biographie zu den absolut richtungsweisensten Erfahrungen im Theaterbereich für mich.

Der Schauspieler Feuerbach stand einige Jahre nicht auf der Bühne. Ein Vorsprechen scheint die Chance auf einen Wiedereinstieg ins Theatergeschäft zu bieten. Der Regisseur soll ihn nach der Probe empfangen. Doch als Feuerbach auftritt, ist die Bühne dunkel. Erst nach einer Weile geht das Licht an, und der Regieassistent ist die einzig greifbare Person im Theatersaal, vom berühmten Regisseur keine Spur. Während die Techniker die Bühnendekoration abbauen und der Theateralltag seinen Lauf nimmt, entspinnt sich zwischen den gemeinsam Wartenden, zwischen Feuerbach und dem wortkargen Regieassistenten, eine Auseinandersetzung, die mehr vom Menschen Feuerbach zeigt, als er wohl je in einem Vorsprechen von sich preisgegeben hätte.

Dorsts 1986 am Residenztheater uraufgeführtes Stück nimmt die theaterspezifische Situation des Vorsprechens zum Ausgangspunkt, um ein mit wachsender Unsicherheit am Arbeitmarkt immer brisanter werdendes Thema auf die Bühne zu bringen: Den Versuch, die eigene Biografie lückenlos erscheinen zu lassen, und den gnadenlosen Kampf um Anerkennung in der Arbeitswelt.

„Darf denn ein Leben, ein Lebenslauf nicht Lücken aufweisen? Überraschende Sprünge und Unregelmäßigkeiten – alles, was in einem Theaterstück natürlich nicht vorkommt! Könnte ich nicht einen erblindeten Bruder haben und mit ihm ins Gebirge steigen, fünf Jahre, um schließlich nach Venedig zu gelangen? Oder kann es nicht sein, dass ich fünf Jahre im Koma lag, nur wenig atmend? Das alles kann sein, Herr Assistent!“


Hintergründe zu unserer Arbeit an »Ich, Feuerbach«

Ich arbeitete im Grunde ununterbrochen zu meiner Erzieherausbildung als Schauspieler (vor allem um meine Ausbildung finanzieren zu können). In Bremen hatte ich das Glück, dass an der Schule, an der ich mein Anerkennungsjahr machte, ein Musiklehrer arbeitete (Torsten Brandes), der ein unglaubliches Gespür und eine große Liebe zum Theater hatte.
Ich weiß heute nicht mehr, ob er mich auf den Text von Tankred Dorst stieß, oder ich ihn gefunden hatte; in jedem Fall beschlossen wir, ihn gemeinsam auf die Bühne zu bringen. Für den Assistenten im Stück konnten wir zunächst Eckhard Ströhle und später Boris Radivoj gewinnen. Die Rolle hat zwar fast keinen Text, muss jedoch ununterbrochen anwesend und präsent sein. Von Hause aus Clown und Pantomime, war Boris Radivoj die Idealbesetzung. Er vermochte es, über zwei Stunden mit dem Rücken zum Publikum jede Stimmung, jede kleine Wendung, treffend und sichtbar zu spielen.
Eine Bekannte von ihm übernahm die wenigen Sätze der Taxifahrerin, auf die wir später ebenso verzichteten, wie auf den Einsatz des Cellisten Tilman Kanitz, der für die ersten Vorstellungen durch seine musikalische Begleitung mit Kompositionen von Torsten Brandes eine zweite Ebene Schuf.

Bis heute unvergesslich und dauerhaft prägend für mich war die Art und Weise, wie Torsten Brandes als Musiker und Komponist die Regie einrichtete. Er ging über Dynamik, Takt, Rhythmus und gezielt gesetzte Pausen an die Gestaltung des Textes. Schritt- und Bewegungseinteilungen der Rolle folgten mehr musikalischen Paradigmen, als der Emotionalität des Subtextes.
Durch die akribische Abstimmung aller Bereiche aufeinander, gelang es Torsten Brandes eine große Kraft in seine Inszenierung zu bringen.

Im Rückblick denke ich, dass ich den Stoff biographisch zu früh in Angriff genommen habe, sodass ich mich nun auf eine Neuerarbeitung freue, wenn ich die „Fünfziger-Grenze“ überschritten habe.


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