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Café Carmen – eine Vollmasken-Oper

nach Bizet
Jugendhilfeeinrichtung Solveigs Hof
Osnabrück
2007


Das »Café Carmen« spielt in einem Hinterhof, in engen Gassen, irgendwo in Andalusien zu einer unbestimmten Zeit. Carmen, eine resolute Wirtin, macht dort ein neues Café auf und wird nun natürlich von allen Seiten – wie es in einem solch kleinen Ort üblich ist – beäugt und beobachtet. Sie verliebt sich, andere verlieben sich in sie und es fehlt ohnehin nicht an Liebesdramen rundherum. Wer am Ende wen bekommt, wird nicht verraten.
Das Stück endet nicht, wie in der Oper von Bizet tragisch, sondern mit einem schönen stillen „Happy End“.




An einem etwas abgelegenen Platz im Gewirr verwinkelter und vergilbter andalusischer Gassen, hat Carmen ihr Café eröffnet. Es ist nicht das, was man eine gute Adresse nennt und auch die Gäste kommen eher aus neidischer Neugier, als aus Interesse, in Ruhe einen Kaffee zu trinken und ein Pläuschchen zu halten.
Von allen Seiten wird Carmen heimlich beäugt. Für die einen ist die neue junge Wirtin der Inhalt ihrer heimlichsten Träume, für die anderen der Beginn des sittlichen Verfalls. Sie bringt zu viel Bewegung in die mühsam konservierte Ruhe. Intrigen und Heimlichkeiten drohen aufzubrechen, unterdrückte Liebesgefühle zu eskalieren.
Und doch wird das Café CARMEN schon bald zum geheimen Mittelpunkt des kleinen Ortes, zu dem jeder seine Hoffnungen trägt und wo die Klänge aus dem Grammophon der resoluten Wirtin für einen Moment die kleinen Sorgen des Alltags und den strengen Moralkondex der konservativen Gemeinde vergessen lassen.
Und auch Carmen selbst verschenkt ihr Herz an José und bindet ihn gleich als Koch mit ein. Entkommen unmöglich – für den Moment jedenfalls. Denn als José sich von seiner Verlobten trennt um ganz bei Carmen sein zu können, ist er für sie uninteressant. Sie sucht nach einem „echten Kerl“, den sie in Escamillo, dem stolzen Torrero findet. Josés unbändige Eifersucht ist geweckt und die Geschichte droht ein übles Ende zu nehmen.



Die rasante Verstrickungsgeschichte Mérimées, die Bizet seiner Oper zu Grunde legt, ist in sehr groben Zügen auch der Stoff, aus dem das Ensemble des Solveigs Hofes sein Schauspiel mit Vollmasken schneidert. Eine Oper mit Vollmasken! Schon der offensichtliche Widerspruch bildet den großen Reiz für dieses Sommerspektakel. Trotz vieler komödiantischer Elemente, die die Inszenierung dadurch aufgreift, nimmt sie in sich die Situation und Darstellungsmomente durchgehend ernst, und zollt über die Oper hinaus in den bildlich narrativen Momenten der Erzählung Mérimées im darstellerischen Rahmen einen hohen Respekt.
Wieder ist es Jugendlichen und Mitarbeitern der Jugendhilfeeinrichtung gelungen, in ihrer Freizeit unter der Regie von Ulrich Thon eine für den Laienbereich hochwertige Produktion auf die Bühne zu stellen. Auch diesmal sorgt das auf die Tenne speziell zugeschnittene Bühnenbild durch das Gesamtambiente wieder für die Einzigartigkeit der Solveigs-Hof-Produktionen.



Hintergründe unserer Arbeit am »Café Carmen«

»Café Carmen – eine Vollmasken-Oper« wurde das fünfte Projekt in der Jugendhilfeeinrichtung Solveigs Hof. Ich hatte mich bewusst für ein Vollmasken-Projekt entschieden, da ich bisher Stücke erarbeitet hatte, deren Schwerpunkt auf der wörtlichen Sprache als Medium lag.
Was mir jedoch über die Zeit immer mehr klar wurde war, dass manche der Jugendlichen, die sprachlich nicht so gewandt waren wie ihre Kameraden, in den Theaterstücken unterzugehen drohten. Sie sollten dieses Mal ein Forum bekommen.
Ebenso wie bei Peer Gynt bot ich einen Stoff an, von dem ich – aus der Erfahrung in der Jugendhilfe heraus – überzeugt war, dass er mit dem Leben und den in diesem Alter biographischen Erfahrungswerten der Jugendlichen unmittelbar zu tun hatte.
Ich verlegte Mérimées Geschichte von Liebe und Eifersucht auf einen kleinen Platz in Spanien und machte Carmen zur Wirtin eines kleinen Cafés, das seine besten Zeiten bereits hinter sich hatte. Hier begegneten sich alte und junge Leute aus dem Dorf. Hier verliebte sich Carmen in ihren neuen Küchenjungen, dem sie später den strahlenden Torero vorzog. Und hier spielt sich auch eine rührende Liebesgeschichte zwischen zwei älteren Leuten ab, die nicht öffentlich werden darf. Alles in Allem folgten wir den Gesetzmäßigkeiten der Commedia dell’Arte, nur mit dem Unterschied, dass wir auf gesprochene Sprache verzichteten.


Masken: Ulrich Thon

Eine Herkules-Arbeit stellte die Herstellung der Masken dar, da ich darauf bestand, sie selber zu bauen. Dies hatte unterschiedliche Gründe, zuvorderst, dass ich neben der Probenarbeit den Jugendlichen unmöglich abverlangen konnte, noch um die dreißig Stunden für ihre Masken aufzuwenden. Zum anderen war mir wichtig, dass die Masken in guter Weise harmonierten und nicht die Situation entstehen konnte, dass wieder ein Teil der Gruppe mit besonders kunstvollen Masken „glänzte“, die einem anderen Teil in dieser Weise sicherlich nicht gelungen wären.
Der unausgesprochene Hauptanspruch von mir jedoch war, Masken zu fertigen, die mit dem jeweiligen Maskenspieler zu tun hatten. Da ich nun die Gruppe über mehrere Projekte hinweg hatte kennen lernen dürfen, kannte ich im Grunde ihre Stärken und Schwächen, ihre inneren und äußeren Auseinandersetzungen und konnte dieses Wissen zum Ausgangspunkt meiner Überlegungen machen. Also versuchte ich, Charakterzüge der Spielerinnen und Spieler so aufzugreifen, dass sie durch einen Gegenpol der Masken in ihrer Körpersprache gegen Alltagsgewohnheiten anspielen mussten; oder anders, ich versuchte etwas, was ich innen vermutete, außen anzulegen. Durch die spielerische Auseinandersetzung (mit sich selbst) sollten verschiedene Aspekte in Einklang für eine körperliche Bühnensprache gebracht werden. In diesem Fall war mir jedoch auch wichtig, dass dieser Prozess in einem vordergründig kummerlosen Spiel beheimatet wurde, weil in vergleichbaren Projekten (z. B. bei Keith Johnstone) Maskenspieler so sehr in Konflikte mit sich selbst kommen können, dass sie in Depression verfallen und das fortführen der Arbeit gefährdet sein kann.
Aufgrund der speziellen Atemsituation unter den Masken versuchte ich die Einzelszenen jeweils sehr kurz zu halten und das Stück so zu gestalten, dass immer nur kleine Grüppchen auf der Bühnen sein mussten, während die Anderen hinter der Bühne durchatmen konnten.
Während der Proben bestand ich auf eine weit verbreitete Maskenspielregel: Dem absoluten Schweigen unter den Masken. Zum Sprechen muss die Maske abgesetzt werden. Diese Regel bildete nicht nur für die Kinder und Jugendlichen eine riesige Herausforderung, sondern auch für die wenigen Erwachsenen, die sich an der Arbeit beteiligten. Darin lag der Sinn und das Konzept ging auch auf.
Sich schweigend auszudrücken in einem Alter, wo man seinen Körper bisweilen verwünscht, ist eine ungeheure Leistung. Sie gelang. Und jene, die kaum im Alltag zu vernehmen waren, sprachen nun mit ihrem Körper zuweilen „lauter“ als die, von denen sie sonst überschrieen wurden.


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